Diverse Startups wagen sich an die Entwicklung von Quantencomputern heran. Der Photonik kommt in ihren Konzepten eine Enabler-Rolle zu.
Seit 2021 schreibt die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte DLR Quantencomputing-Initiative (DLR QCI) Aufträge zum Bau von Quantencomputern und für anwendungsbezogene Software aus. In den wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren geht es oft um zweistellige Millionenaufträge. „Spannenderweise sind es in erster Linie Start-ups, die Angebote einreichen“, erklärt Dr. Robert Axmann, Leiter der DLR QCI, im aktuellen PHOTONICS Interview. In der Regel seien es Spin-offs aus Forschungsinstituten, die hohe wissenschaftlich-technische Qualität mitbringen, enge Bindung zu ihren Instituten halten und sehr fokussiert agieren, um ihre jeweilige Hardware-Plattform zur Marktreife zu bringen. Der Experte sieht Startups daher als die treibende Kraft beim Bau von Quantencomputern und beim Aufbau entsprechender Lieferketten.
Bewusst setzt die DLR QCI in dem jungen Markt auf technologische Vielfalt. Die Konzepte basieren auf Ionenfallen, Neutralatomen, auf photonischen Qubits, Festkörper-Spins sowie auf Stickstoff-Fehlstellen in künstlich erzeugten Diamanten - so genannten NV-Zentren. Zu jedem dieser Ansätze gibt es in der Initiative Projekte. Allein im Bereich der Ionenfallen sind fünf Aufträge mit einem Gesamtvolumen von 208,5 Millionen Euro erteilt. Seit zwei Jahren arbeiten Teams um das Siegener Hochschul-Spin-off eleQtron, um die britische Ausgründung der University of Sussex, Universal Quantum, sowie um QUDORA, ein Deep-Tech-Spin-off der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), der TU Braunschweig und der Leibniz Universität Hannover, daran, Hardware-Plattformen mit mindestens 50 Qubits zu realisieren. Das technologische Grundprinzip des hochkomplexen Ionenfallen-Ansatzes bricht die DLR QCI auf ein leicht verständliches Bild herunter: „Aus einer Ionenfalle können geladene Atome nicht entwischen: Ein elektromagnetisches Feld hält sie in ihrer Position. Ein Laser sowie Radio- oder Mikrowellen können den Zustand der geladenen Atome (Ionen) dann gezielt verändern. So werden sie zu Qubits, den Rechenbausteinen von Quantencomputern“.
Von den fünf technologischen Ansätzen ist die Ionenfallen-Technologie diejenige, die sich am ehesten von der Photonik abgrenzt. „Unsere Qubits lassen sich durch die Magnetic Gradient Induced Coupling (MAGIC)-Technologie mit Mikrowellen steuern. Das ist nicht nur exakter, sondern im Vergleich zur Lasersteuerung von Qubits auch deutlich robuster – und vor allem hervorragend skalierbar“, wirbt eleQtron für die selbstentwickelte Hochfrequenz-Steuerung. Doch auch hier sind Laser zur Kühlung und zum Auslesen der Quantenbits im Einsatz. Und beim Blick in die Stellenanzeigen des Spin-offs wird klar: Ohne Photonik geht es auch in der Ionenfallen-Technologie nicht. Gesucht sind Fachleute aus der atomaren, molekularen und optischen Physik, die sich mit Lasern, Laserkühlung, Laserspektroskopie, Optik sowie mit linearer und nichtlinearer Optik, Optoelektronik, Hochfrequenzelektronik sowie Atomphysik auskennen.
Um das zu verstehen, hilft eine Beschreibung des Verfahrens von der DLR QCI: „Ionenfallen fangen einzelne Ionen in einem elektrischen Feld ein und kühlen sie mithilfe von Lasern auf wenige Millikelvin herab. Die Qubits werden durch verschiedene Energiezustände innerhalb der Hyperfeinstruktur des Ions realisiert, was sehr lange Kohärenzzeiten möglich macht. Gatteroperationen werden entweder durch gezielte Laserpulse oder durch globale Mikrowellen- und Magnetfelder umgesetzt. Der Zustand der Qubits wird schließlich durch optische Übergänge gemessen“.
Ein auf den ersten Blick eng verwandter Ansatz ist die Neutralatom-Technologie, die die Münchener Max-Planck-Ausgründung planqc unter anderem in Projekten für die DLR QCI vorantreibt. Das Grundprinzip beschreibt planqc-CEO Dr. Alexander Glätzle im aktuellen PHOTONICS-Interview: „Konkret nutzen wir einzelne neutrale Atome als Qubits, in denen wir Quanteninformationen speichern und manipulieren können. Die Atome sind von der Natur geschaffen und komplett baugleich. Es handelt sich also um ein sehr kohärentes System, und die Kohärenzzeiten der Qubits, in denen Berechnungen möglich sind, reichen bis in den Sekundenbereich. Das entspricht in der Quantenwelt einer Ewigkeit!“. Um das zu erreichen, seien die Atome in einer Ultrahochvakuumkammer gefangen, wo sie bei Temperaturen um den absoluten Nullpunkt herum in einen Zustand der Bewegungslosigkeit geraten.
Sowohl zum Kühlen und Fangen als auch zur Manipulation der Atome sind Laser im Einsatz. Um sie für Berechnungen zu manipulieren und ihren logischen Zustand zu ändern, sind rauscharme Laser mit präziser Frequenz und Wellenlänge gefragt. Auch an die Optiken stellt der Ansatz höchste Anforderungen. Denn der Laser muss die Atome einzeln anregen, obwohl sie nur wenige Mikrometer voneinander entfernt sind. Zudem sind optische Schalter im Einsatz, die das nanosekundenweise Ansteuern der Atome gewährleisten. Tatsächlich versetzen sie die zeitlich und räumlich hochaufgelösten Laserpulse in den sogenannten Rydberg-Zustand: Die Elektronen in der Atomhülle sind in diesem Zustand sehr stark angeregt – und können über Mikrometer hinweg mit anderen Atomen interagieren. Genau das erlaubt ihre Verschränkung zu Zwei- und Mehr-Qubit-Gates für Quantencomputer. Der Ansatz gilt als vielversprechend, weil sich viele dieser als Qubits dienenden Neutralatome dreidimensional anordnen lassen – was für die Skalierbarkeit der Neutralatom-Quantencomputer spricht.
Zu den Auftragnehmern der DLR QCI gehört auch die 2019 gegründete QuiX Quantum aus Enschede in den Niederlanden, die photonische Quantenprozessoren entwickelt. Ziel des 14-Millionen-Euro-Auftrags ist ein System mit mindestens 64 Qubits. Die Prozessoren des Startups verarbeiten Informationen in einem verschränkten Quantenzustand, der aus vielen einzelnen Photonen gebildet wird. Die Verschränkung geschieht in den Wellenleitern, die das Licht analog zu elektrischen Leiterbahnen durch den photonischen Prozessor leiten. Zugleich lassen sich die Photonen mit etablierten Verfahren ansteuern, um sie zu Wechselwirkungen und Phasenveränderungen anzuregen. Zum Auslesen der erzeugten Quantenzustände sind Einzelphotonendetektoren im Einsatz. Letztlich dienen die Photonen als Qubits, die kodiert, verarbeitet und gemessen werden können. Die Messungen sind der eigentliche Schlüssel zum photonischen Quantencomputing: QuiXQuantum spricht vom „Measurement-based Quantencomputing“.