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„Leute spielerisch an das Thema Quantentechnologie heranführen“

Das Munich Quantum Valley (MQV) dient als Drehscheibe zwischen Forschung, Industrie, Investoren und der Öffentlichkeit. Gefördert durch Bayerns Hightech Agenda bündelt es Forschungskapazitäten und den Technologietransfer der wichtigsten Universitäten und Forschungseinrichtungen des Landes. Ein Schwerpunkt ist die Entwicklung wettbewerbsfähiger skalierbarer Quantencomputer. Das übergeordnete Ziel ist es, ein global führendes Ökosystem für die Industrialisierung der Quantenwissenschaften und -technologien (QWT) zu etablieren. Dafür gilt es, die Öffentlichkeit kommunikativ mitzunehmen und Nachwuchskräfte für das Technologiefeld zu begeistern. Im Interview spricht Dr. Sascha Mehlhase, Leiter der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit des MQV darüber, wie das gelingen kann.

© Mikka Stampa

Herr Dr. Mehlhase, können Sie uns das Munich Quantum Valley und seine wichtigsten Akteure bitte kurz vorstellen?

Das Munich Quantum Valley (MQV) ist ein Forschungsverbund, in dem viele wichtige Akteure aus München und Bayern mitwirken. Darunter die Bayerische Akademie der Wissenschaften, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt und die Max-Planck-Gesellschaft sowie die Universitäten Erlangen-Nürnberg (FAU), die Technische Universität München (TUM) und die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Als Gründungsmitglieder haben sie sich das gemeinsame Ziel gesetzt, die Quantentechnologien in Bayern und darüber hinaus zu fördern, Quantencomputer zu bauen, zu betreiben und in die Anwendung zu überführen. Es gibt diverse Leuchtturmprojekte und Forschungs- und Entwicklungsprofessuren sowie ein stetig wachsendes Partnernetzwerk in der Industrie. Es wenden sich häufig Industriepartner an uns, die noch auf der Suche nach potenziell interessanten Anwendungen sind. Andere haben Know-how, entwickeln selbst Hard- oder Software für Quantencomputer und wollen sich vernetzten. Und es gibt diverse Start-ups, die ihre Ideen ins Netzwerk einbringen. Daneben verfolgt das MQV das Ziel, die Quantenwissenschaften und -technologien (QWT) in die breite Öffentlichkeit zu tragen und Bildung zu betreiben. Es geht darum, Neugier zu wecken und Nachwuchskräfte für dieses Technologiefeld zu begeistern. Dazu passend vergeben wir Stipendien an Studierende in Masterstudiengängen sowie an Doktorandinnen und Doktoranden.

In QWT liegen Welten zwischen dem Verständnis der Beteiligten aus der Forschung, Industrie und Finanzwelt – und der breiten Öffentlichkeit. Kann Pressearbeit diese Distanz überwinden?

Wir tun unser Bestmögliches dafür. Wir sprechen alle Gruppen an und entwickeln dafür die entsprechenden Formate. Das reicht von Workshops zum Einstieg und zur Vertiefung über Messestände und Infoveranstaltungen bis zu unserem Youtube-Kanal, wo wir in einfacher Sprache Fragen zu QWT beantworten. Ein Schwerpunkt liegt auf der Wissensvermittlung und Förderung für Studierende, die wir jeweils hierher nach Bayern und München holen möchten. Auch an Start-ups wenden wir uns und bietet Unterstützung bei der Ausgründung sowie der An- und Umsiedlung nach Bayern an. Für die breite Öffentlichkeit bereiten wir die Inhalte so auf, dass sie in erster Linie Neugier wecken. Es gibt das schöne Zitat von Richard Feynman: „Wer glaubt, die Quantenwissenschaften verstanden zu haben, hat sie noch nicht verstanden“. Es kann in der Wissenschaftskommunikation nicht darum gehen, das Wissen ganzer Studiengänge zu vermitteln, sondern darum, Interesse zu wecken und die Menschen zu befähigen, selbst weiter zu lernen. Das funktioniert, wenn sie das Potenzial der QWT erkennen; und zwar unabhängig von der jeweiligen Zielgruppe. Es geht um eine ehrliche Kommunikation, die Möglichkeiten und bisherige Grenzen aufzeigt.

Informationen werden zunehmend audio-visuell oder per Kurznachricht vermittelt. In so einer Welt haben es komplexe Inhalte schwer. Bei QWT kommt hinzu, dass sie sich in Dimensionen abspielen, die in Videos oder Fotos kaum festzuhalten sind. Wie lösen Sie diese Dilemmata?

Es geht um zielgruppengerechte Formate: Unsere Youtube-Videos mit den Quick-Quantum-Questions. In-Persona-Portraits, die Quantenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler als Menschen und in ihrer fachlichen Funktion vorstellen. Aber auch Ansätze für Edutainment und Gamification. Wir entwickeln mit Partnern unter anderem ein Handyspiel, das Wissen aus den QWT spielerisch vermittelt – oder Mitmachformate mit dem Deutschen Museum, in denen Museumsbesucherinnen und -besucher ganz konkrete „Quantenträume“ entwickeln können. Auch in Workshops, Tagen der offenen Tür oder an unseren Veranstaltungsständen versuchen wir, die Leute spielerisch an das Thema heranzuführen. Um Neutralatomfallen zu erklären, arbeiten wir mit Eierschalen und Tischtennisbällen. Auch um Licht zu erklären, gibt es viele einfache, aber faszinierende experimentelle Ansätze. Und am Ende sind die Leute begeistert, dass sich Atome mit Laserlicht fangen lassen. Ob Schulkinder, Messepublikum oder Forschende – am Ende geht es darum, Staunen und Neugier zu wecken.

Sie sind Teilchenphysiker, Hochschuldozent, ehrenamtlich Webmaster einer Schule und eines Sportvereins – und „leidenschaftlicher Wissenschaftskommunikator“. Was heißt es für Sie, QWT zielgruppengerecht zu kommunizieren?

Es geht als allererstes darum, die Leute da abzuholen, wo sie stehen – und dafür zunächst einmal herauszufinden, wie ihr Wissensstand ist. Selbst in unserem Partnernetzwerk oder in den Unternehmen selbst ist das individuelle Wissen sehr unterschiedlich. Es geht also zuerst darum, eine gemeinsame Basis zu entwickeln. Denn die Zielgruppe darf sich weder von den Inhalten über- noch unterfordert fühlen. Wir legen unsere Workshops so aus, dass sie von der ganz grundlegenden Einführung bis zum wissenschaftlichen Niveau alles abdecken – und den Teilnehmenden sogar kleinere Experimente mit Einzelphotonen ermöglichen. Was wir davon abrufen, hängt vom Wissensstand der Teilnehmenden ab. Exponate sind wichtig und Experimente, um ein Hands-on-Gefühl zu vermitteln und Berührungsängste abzubauen. Denn das öffnet Räume, um die geweckte Neugier dann in Gesprächen, auf Webseiten oder idealerweise in einem Studium zu stillen und selbst Teil der Quantencommunity zu werden.

Eins der Ziele des MQV ist der Aufbau eines Ökosystems für die Industrialisierung der Technologie. Welche Rolle kommt einer Messe wie der World of QUANTUM dabei zu?

Die World of QUANTUM bietet uns in einem frühen Stadium dieses Zukunftsmarktes eine wichtige Plattform. Wir treffen potenzielle neue Partner, die von den parallel stattfindenden Leitmessen LASER und automatica den Weg an unseren Stand finden. Wir können zudem persönliche Kontakte in unserem bestehenden Netzwerk pflegen. Und wir nutzen auch die begleitenden Bühnenprogramme, um uns einen Überblick über aktuelle Entwicklungen zu verschaffen und um selbst von Fortschritten aus dem MQV-Verbund zu berichten. Also alles in Allem: Es braucht diese Messe, um das Ökosystem für die Industrialisierung zu etablieren.