Im Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Garching bei München hat jüngst Deutschlands erster hybrider Quantencomputer den Betrieb aufgenommen. Im World-of-QUANTUM-Interview erklärt LRZ-Leiter Prof. Dieter Kranzlmüller, was es mit dem „Q-Exa“ genannten System auf sich hat und wieso es sinnvoll ist, Quantenprozessoren in konventionelle Superrechner einzubinden.
Herr Prof. Kranzlmüller, was verbirgt sich hinter dem Kürzel Q-Exa?
Kranzlmüller: Q-Exa ist der erste deutsche Quanten-Demonstrator. Er verbindet einen 20-Qubit-Prozessor auf Basis supraleitender Schaltkreise von IQM Quantum Computers mit einem klassischem High-Performance Computer. Das Q in dem Kürzel steht für das Quantencomputing und das Exa für unseren zukünftigen Exascale-Rechner, den wir gerade beschaffen. Das wird dann schon die nächste Generation von Höchstleistungsrechnern am LRZ. Es geht uns darum, in solchen hybriden Systemen beide Technologien so zusammenzubringen, dass sie darin ihre jeweiligen Stärken ausspielen können.
Haben Sie schon getestet, inwieweit sich der konventionelle Superrechner mit dem IQM-Quantenprozessor verträgt – und wie sich die Performance verändert?
Kranzlmüller: Die Grundannahme ist, dass die Performance eines Quantencomputers in ausgewählten Anwendungen weit über die Rechenleistung klassischer Superrechner hinausgeht. In der Realität ist es aber bislang noch so, dass der Betrieb von Quantencomputern sehr aufwändig ist – und ein System wie das unsere mit 20 Qubit natürlich das Potenzial des Quantencomputings nicht annährend ausschöpft. Daher der Gedanke, die Stärken des klassischen High-Performance-Rechners so weit wie möglich auszuschöpfen und Aufgaben nur dann an den Quanten-Prozessor zu übergeben, wenn er überlegen ist. Die Integration ist komplex. Denn es bedarf dafür eines Programms auf dem Supercomputer, das den Quantencomputer aktiviert, sobald bei einem komplexen Stück Code davon auszugehen ist, dass dieser die Berechnung so beschleunigt, dass das hybride Gesamtsystem schneller und exakter zur Lösung kommt. Unsere Testläufe waren erfolgreich und zeigen, dass beide Technologien zusammen funktionieren. Wir sind nun sehr gespannt darauf, wie sich das hybride System im Arbeitsalltag bewährt und wie wir damit das Quantencomputing weiterentwickeln können. Wir bauen an der Zukunft der IT.
Gibt es Software, die auf beiden Plattformen läuft oder wird die im Projekt entwickelt?
Kranzlmüller: Wir mussten die Software erst entwickeln. Denn es gibt zwischen dem binären System der klassischen IT und dem Quantencomputing sehr viel Übersetzungsarbeiten. Dafür haben wir viel Zeit und Know-how investiert. Gleiches gilt für die Integration beider Systeme, die bei uns tatsächlich in Stockwerken übereinander angeordnet sind. Das LRZ hat als Forschungszentrum die Aufgabe, neueste Forschungsergebnisse in den Betrieb eines Rechenzentrums zu integrieren. Die heute verfügbaren Quantencomputer sind keine industriell produzierten reifen Plug & Play Systeme. Sie kommen direkt aus dem Physiklabor und sind wartungsintensiv.
So basieren die zentralen Recheneinheiten des IQM-Systems auf supraleitenden Schaltkreisen. Elektronen werden durch Mikrowellenimpulse dazu angeregt, ihren Zustand zu ändern, sich miteinander zu verschränken, um Berechnungen auszuführen. So ein Aufbau ist anfällig für so genanntes Rauschen, das ebenso wie physische Einflüsse auf die Hardware zu Ungenauigkeiten beim Rechnen führen kann. Daher muss das System häufig kalibriert werden. Unsere Forschung verteilt nicht nur die Rechenaufgaben zwischen dem Supercomputer und dem Quantencomputer, sondern untersucht auch die Möglichkeit automatisierter Kalibrier-Routinen. Wir testen sie im Projekt und entwickeln sie im Betrieb weiter. Es geht um die Demonstration, dass die Integration in den Rechenzentrumsbetrieb machbar ist. Parallel arbeiten wir an der Skalierung der Qubit-Anzahl. Das Nachfolgeprojekt Euro-Q-Exa ist schon angelaufen und zielt auf diese Skalierung und die Verringerung des Rauschens ab.
Wie gehen Sie vor?
Kranzlmüller: Auch hier geht es um ganz praktische Fragen. Das System steht in einem Bereich unseres Rechenzentrums, in dem normalerweise nicht viele Menschen ein und ausgehen. Das ist mit dem hybriden System anders – und wir möchten wissen, in welchen Intervallen es Wartung braucht, ob es empfindlich für elektromagnetische Störeinflüsse, Handystrahlung oder für die Vibrationen ist, die beispielsweise Besuchergruppen am LRZ auslösen. Es geht darum, wie sich so ein empfindliches System im Alltag eines Rechenzentrums verhält. Die Erfahrungen und das Know-how, das wir jetzt auch in puncto Kalibrierung generieren, werden uns bei der Auslegung künftiger leistungsstärkerer Quantencomputer helfen. Wir gehen schrittweise vor und bewegen uns in dem Zeitplan, den unsere Roadmap vorsieht.
Welche Anwendungen haben Sie für den hybriden Hochleistungscomputer im Blick?
Kranzlmüller: Wie haben im Projekt Early Users, die mit dem hybriden System komplexe Fragestellungen aus den Materialwissenschaften und aus der personalisierten Medizin angehen und dabei unter anderem an digitalen Zwillingen der Patienten und Patientinnen die Mechanismen von Erkrankungen wie Alzheimer, rheumatischer Arthritis der verschiedenen Diabetes-Typen auf der poly-genetischen Ebene untersuchen. Und weil wir in München sitzen, geht es auch um Fragestellungen aus der Astrophysik. Auch hier geht es darum, aus dem Feedback der Early Adopters für die weitere Skalierung von Quantencomputern zu lernen. Es geht auch darum, für welche Anwendungen des Quantencomputings die Topologie unseres hybriden Systems Vorteile verspricht. Wir gehen prinzipiell iterativ vor – um im Miteinander aus Versuchen und Feedback systematische Schlüsse für die Optimierung der Systeme ziehen zu können.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert Q-Exa mit 40 Mio. Euro. Wird der Rechner auch für externe Anwender nutzbar sein?
Kranzlmüller: Wir sind ein wissenschaftliches Forschungsinstitut und verkaufen keine Rechenleistung. Wir sind mit EuroHPC JU (Joint Undertaking) verbunden, mit denen wir auch das Euro-Q-Exa-Projekt vorantreiben. EuroHPC-JU ist eine Rechts- und Finanzierungseinheit, die mittlerweile Vereinbarungen mit sechs europäischen Rechenzentren zum Hosten und Betreiben hybrider EuroHPC-JU Quantencomputern geschlossen hat. Es geht darum, verschiedene Plattformen für das Quantencomputing sowie hybride Quantenarchitekturen aufzubauen und cloudbasiert für Anwender in ganz Europa bereitzustellen. Interessierte können sich im Spätherbst an diesen Partner wenden, um Slots auf dem System zu buchen. Die Nachnutzung ist mit dem BMBF vereinbart, um interessierten Unternehmen früh Zugang zum Quantencomputing zu verschaffen. Es gibt schon erste Anfragen; unter anderem aus der Automobilindustrie. Denn viele Unternehmen möchten sich so früh wie möglich mit dieser Zukunftstechnologie vertraut machen, um diese Zukunft aktiv mitgestalten zu können.