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„Aktuell passen viele Puzzlestücke“

Das Stuttgarter TRUMPF-Spinoff Q.ANT ist seit seiner Gründung im Jahr 2018 auf 100 Beschäftigte gewachsen. Im Interview spricht Geschäftsführer Dr. Michael Förtsch darüber, inwiefern photonische Quantentechnologien die Grenzen in der Sensorik und Messtechnik sowie im Computing verschieben – und welche Anwendungsfelder damit in Zukunft denkbar werden.

© Q.ANT

Herr Dr. Förtsch, was kann Quanten-Magnetfeldsensorik an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine oder zwischen Mensch und Prothese bewirken?

Wir haben damit zum ersten Mal ein Instrument, mit dem die Biosignale des menschlichen Körpers sich berührungslos erfassen und im digitalen Raum verfügbar machen lassen. Die Sensorik braucht keinen Kontakt zur Haut, um die muskulären Bewegungen zu detektieren. Was abstrakt klingt, eröffnet sehr konkrete Möglichkeiten: Wer würde nicht gerne mal das Smartphone weglegen, und es dennoch bedienen können? Wer würde nicht gerne den PC ohne Maus und Tastatur bedienen? Das Auge zeigt, wohin wir die Maus bewegen wollen. Es wird von Muskeln gesteuert, deren Biosignale unsere Sensorik nichtinvasiv verfolgen kann. Sie könnte dafür beispielsweise im Brillengestell untergebracht sein. Es wäre auch denkbar, in Zukunft die Gesten der Hand oder Bewegungen der Arme zu tracken und interpretieren. Das wird teils schon mit Kamerasystemen gemacht, die aber rechenintensiv sind und so viel Strom verbrauchen, dass heutige Akkus schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Unser Quanten-Magnetfeldsensor muss keine Bilddaten verarbeiten, sondern er setzt an nativen Signalen des menschlichen Körpers an. Wir sprechen daher auch von „Native Sensing“, mit dem wir diese Signale im digitalen Raum verfügbar machen. Das ermöglicht neue, effiziente Ansätze zur Steuerung von Prothesen, Exoskeletten oder Cobots aber eben auch von PCs, Smartphones und vielen anderen Geräten.

Wenn Ihre Sensoren Picotesla-Magnetfelder messen – das entspricht einem Millionstel des Erdmagnetfelds – sind sie nicht sehr anfällig für Störsignale? 

Diese Frage haben wir uns natürlich auch gestellt und technologische Antworten gefunden. Ehe ich sie erläutere, sei eines vorangestellt. Es ist unsere Maxime, dass unsere Produkte erstens frei von jeglicher Kühlung und zweitens alltagstauglich sein müssen; also außerhalb von Idealbedingungen im Labor nutzbar. Nur dann beginnen wir mit der Produktentwicklung. Was die Magnetfeld-Sensoren und die Gefahr der Signalüberlagerung durch allgegenwärtige und viel stärkere Magnetfelder im Alltag betrifft, haben wir drei Maßnahmen getroffen. Zum einen setzten wir auf eine diamantbasierte, raumaufgelöste Sensorik, die präzise registriert, aus welcher Richtung die Signale kommen. Zum anderen nutzen wir eine „Noise Cancelling“-Lösung, wie sie auch für Kopfhörer genutzt wird. Sie filtert alle Signale heraus, die nicht aus der Richtung des Muskels oder der anderen Signalquelle kommen, um die es gerade geht. Drittens haben wir Verstärker – so genannte Flusskonzentratoren – integriert, die ähnlich wie ein Trichter alle Signale aus der richtigen Richtung bündeln und nachverstärken. Mit diesem Dreiklang schaffen wir es, dass die hochempfindlichen Quanten-Magnetfeldsensoren unter Alltagsbedingungen einsetzbar sind.

Q.ANT hat jüngst einen photonischen Chip auf Basis dünner Lithium-Niobat-Schichten vorgestellt. Worin sehen Sie die zentralen Vorteile der integrierten Photonik?

Ich kann in erster Linie darüber sprechen, was wir mit dem Chip geschafft haben, und für das wir aktuell – auch international – enorme Anerkennung bekommen. Wir haben einen Logik-Prozessor gebaut, der als Beschleuniger und Effizienztreiber für sehr viele Rechenprozesse im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) einsetzbar ist. Indem er optisch arbeitet anstatt mit Strom, ist er viel leistungseffizienter als herkömmliche Chips. Er braucht um Faktoren – bis zu dreißigmal – weniger Strom als diese. Zugleich ist er ein analoges Recheninstrument, das die Berechnung hochkomplexer mathematischer Funktionen auf kleinstem Raum ermöglicht. Das Moore´sche Gesetz läuft auf physikalische Grenzen zu: die Chipstrukturierung ist dank der EUV-Belichtung bereits in den einstelligen Nanometerbereich vorgedrungen. Viel weiter wird es nicht gehen. Zudem bauen die ersten Betreiber von Höchstleistungsrechenzentren (Hyperscaler) eigene Kraftwerke, um deren immensen Energiebedarf decken zu können. Der Stromverbrauch ist so groß, dass er Geschäftsmodelle gefährdet und auch die Ressourcen unseres Planeten über Gebühr beansprucht. Wenn ich mit Licht statt mit Strom rechne, dann brauche ich bis zu 30 Mal weniger Strom, spare also Betriebskosten im großen Stil. Wir sind laut Marktanalysten weltweit das erste Unternehmen, dass es geschafft hat, so ein analoges optisches Rechenwerk ins Leben zu rufen.

Der Durchbruch künstlicher Intelligenz treibt den Strombedarf von Rechenzentren rasant in die Höhe. Das kann integrierte Photonik begrenzen. Sehen Sie für Ihre Chip-Technologie weitere Einsatzfelder? 

Ich sehe diese vor allem bei der sogenannten KI-Inference – also der Kette, die heute durch eine Anfrage bei Chat-GPT ausgelöst wird. Eine einzige Anfrage bei Chat-GPT 4 verursacht Kosten in Höhe von 30 Cent. Das sprengt den Rahmen. Es braucht effizientere Ansätze; der um ein 30-Faches geringere Strombedarf unseres Chips gehört dazu. Wir haben aber auch zeigen können, dass unsere analoge Technologie beim Antrainieren von Neuronalen Netzen enorme Effizienzvorteile bewirkt. Bei aufwändigen Problemen benötigen die Anwender bis zu 50 Mal weniger Trainingsparameter, um die KI-Lösungen anzulernen. Als wir unsere Lösung kürzlich in Atlanta präsentiert haben, hatten wir ad-hoc Einladungen zu den Hyperscalern an der Westküste. Sie haben sofort verstanden, welches Potenzial unsere Lösung birgt. Aktuell passen viele Puzzlestücke: Die mathematischen Algorithmen im KI-Bereich sind prädestiniert für das analoge Rechnen, benötigen aber enorm viel Strom. Und nun kommen wir mit dem ersten Full-Function-Analog-Computer, der sehr energieeffizient ist.

Sind photonisches Computing und rein optische Datenübertragung eine Option, um herkömmliche Kupferkabel und Daten-Busse in Fahr- und Flugzeugen zu ersetzen?

Ohne in die Glaskugel schauen zu können, versuche ich mich an einer Antwort. Ich denke, dass sich die photonische Datenverarbeitung in Wellen aus der Welt der Rechenzentren in die Alltagswelt bewegen wird. Die ersten Kunden dafür sind ganz klar Hyperscaler mit ihren Hochleistungsrechenzentren. In einer zweiten Welle werden Unternehmen die Technologie übernehmen, um das bestehende Nadelöhr bei der Datenübertragung zu überwinden. Wenn sie Rechenleistung vor Ort verfügbar haben und vernetzen, werden übertragungsbedingte Laufzeitprobleme abnehmen und sie werden von der Effizienz optischer Datenverarbeitung profitieren. Mit zunehmendem Reifegrad der Technologie werden dann auch Einsatzfelder mit raueren Umweltbedingungen denkbar. Doch sind die Anforderungen an die Chips und die optische Datenübertragung in Fahr- oder Flugzeugen so hoch, dass es viel Engineering braucht, um sie zu erfüllen. Denkbar ist es wegen der Effizienzvorteile aber auf jeden Fall, dass Hersteller diesen Weg gehen. Das setzt jedoch nicht nur neue Netzwerkarchitekturen mit optischen Kabeln voraus, sondern ein komplettes Ökosystem mit neuen Zulieferern und entsprechend qualifizierten Fachleuten. Die Vorteile sind aber so groß, dass die Industrie sie früher oder später nutzen wird.

Inwiefern gibt es in Ihrem Haus Querverbindungen und Synergien zwischen ihren Produktlinien im photonischen Computing und in der Quanten-Sensorik?

Es gibt fantastische Synergien, wobei jeder der beiden Use-Cases für sich genommen sehr stark ist. Ich möchte es noch bewusst erleben, dass wir die beiden Technologien miteinander verheiraten. Das leistungsstarke Rechnen kann in Verbindung mit unseren hochsensiblen Human-Machine-Interfaces direkt am menschlichen Körper und nicht-invasiv eine direkte Nachverarbeitung unserer Gedanken ermöglichen. Auch wenn da viele Menschen zuerst zusammenzucken: Das eröffnet uns ganz neue Möglichkeiten. Ich kann das Licht mit meinen Gedanken an- und ausschalten oder dimmen, auf einer Zugreise Texte verfassen, ohne zu tippen. Ich kann eine geschützte Verbindung zwischen meinen Gedanken und der digitalen Welt schaffen und nutzen – wenn ich das möchte und mir das gerade den Alltag erleichtert.

Quantentechnologien adressieren Zukunftsmärkte. Warum ist es wichtig, sich im Hier und Jetzt auf Messen wie der World of Quantum zu zeigen und zu vernetzen?

Quantentechnologien sind für sich genommen weder heute ein ökonomisch starker Markt, noch werden sie es in Zukunft sein. Niemand kauft ein Produkt nur, weil Quantentechnologie darin steckt. Sondern es geht um den Mehrwert, der sich damit realisieren lässt. Die Messe München hat das verstanden und geht mit der World of Quantum sehr bewusst den Weg, Quantentechnologien einzubetten. Auf der parallel stattfindenden Laser World of Photonics treffen sich die Zulieferer und Enabler der Quantentechnologien. Nebenan in den Hallen der automatica sind viele Anwenderbranchen vertreten. Quantum funktioniert nur im Kontext der Anwendungen und Zulieferindustrie. Die World of Quantum ist die Plattform, auf der dieser Kontext gegeben ist. Hier können sich Akteure entlang der Prozesskette austauschen und gemeinsame Ideen entwickeln. Wir nutzen sie, um zu zeigen, was mit Quantentechnologien möglich ist – um die Anwendungsideen perspektivisch mit den konkreten Anforderungen der  Märkte in Einklang zu bringen und um die Zulieferer aus der Photonik davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, an die Quantentechnologien zu glauben. Sie müssen als Enabler oft in Vorleistung gehen. Das werden sie nur tun, wenn sie das Marktpotenzial erkennen. Das ist der Kern, um den sich aktuell ein spannendes Ökosystem mit Ausstellern und Besuchern aller drei Messen bildet.